Strandzugang 1 / PÖTENITZ-PRIWALL
Sie stehen hier unweit des westlichsten Punktes der 521 km langen, ehemaligen Seegrenze der DDR – zugleich der nördlichste Punkt der rund 1377 km langen innerdeutschen Grenze.
Die Demarkationslinie wurde Ende 1945 nach einem Gebietsaustausch zwischen der sowjetischen und der britischen Besatzungsmacht festgelegt. Im Norden verläuft sie zwischen dem Priwall (zu Lübeck gehörend) und Pötenitz (zu Nordwest-Mecklenburg gehörend).
Zwar gab es in vergangenen Jahrhunderten immer wieder Streit um den Besitz und die Nutzung des Priwalls als Weideland und als Reservoir für Tang- und Sandgewinnung, doch überwog reger Handel.
Die Grenzziehung nach dem Zweiten Weltkrieg zerschnitt die alten Handels- und Verkehrswege zwischen Lübeck und Mecklenburg. Wo sich heute das Grüne Band erstreckt, hatte die SED-Führung einst martialische Sperranlagen errichten lassen. Entlang der DDR-Ostseeküste installierte sie hingegen vor allem ein „unsichtbares“ Grenzregime aus Überwachung, Bespitzelung und Verboten. Fluchten der eigenen Bürger sollten damit verhindert werden.
Seit dem Mauerbau am 13.8.1961 bis zu ihrem Fall wagten über 5600 Menschen eine Flucht über die Seegrenze. Mehr als 4500 scheiterten und wurden inhaftiert. 900 waren erfolgreich. Mindestens 174 kamen ums Leben.
Auf Weisung der Sowjetunion erließ die DDR die „Polizeiverordnung“ vom 26. Mai 1952. Entlang der Demarkationslinie zwischen Pötenitz und Hof entstand der „Eiserne Vorhang“, eine 5 km breite Sperrzone, ein 500-m-Schutzstreifen und ein 10-m-Kontrollstreifen. Wenige Tage später wurde auch an der Ostsee eine Sperrzone errichtet und der Zugang für die eigenen Bürger streng reglementiert. Diese Bestimmung ließ sich jedoch in dieser Zeit nicht aufrecht erhalten und wurde wieder aufgehoben. Überwachungsanlagen blieben jedoch bestehen, wie z.B. ein Beobachtungsturm an dieser Stelle – einer von zuletzt 75 Türmen entlang der DDR-Ostseeküste.
Im Kontext des Mauerbaus wurde 1962 das Grenzregime an der Ostsee verschärft. Zwischen Pötenitz und Steinbeck entstanden nach dem Vorbild der innerdeutschen Grenze über 21 km Sperranlagen mit Grenzsignalzaun, Stacheldrahtrollen, Kolonnenweg für motorisierte Patrouillen, dem geharkten 10-m-Streifen („Todesstreifen“), Hunde-laufanlagen, Lichttrasse, Grenzmeldesystem u.a. Die Sperranlagen richteten sich nach innen, gegen die eigenen Bürger. Zusätzlich sperrte ein 500-m-Schutzstreifen die Anwohner von ihrer Ostsee aus. Die Bauern durften die dortigen Felder nur unter Bewachung bearbeiten. 1967 erfolgte eine weitere Verschärfung: ein doppelreihiger Metallgitterzaun mit Hundelaufanlage. Der Grenzabschnitt von Pötenitz bis Steinbeck wurde der am stärksten überwachte der Seegrenze.
Der „Schießbefehl“ verpflichtete auch hier die Posten, die Schusswaffe einzusetzen zur „Festnahme von Personen …, (die) versuchen, die Staatsgrenze … zu verletzen“. Doch dem Sturm der Friedlichen Revolution und des Mauerfalls vom 9. November 1989 hielten auch sie nicht stand. Am 3. Februar 1990 öffneten DDR-Grenzer das Tor am Strand.
» Hinweis: Mehr zur Grenze Priwall-Pötenitz auf der Informationstafel auf dem Priwall an der Landesgrenze
TODESOPFER DER GRENZE IM KLÜTZER WINKEL
September 1962: Günther Schulz (22), Karl-Ludwig Schulz (20), Jürgen Schulz, Hans-Georg Jacobs starben bei ihrem gemeinsamen Fluchtversuch vom Küstengebiet bei Boltenhagen.
11.5.1964: Peter Keimling (21) starb unter unbekannten Umständen. Seine Leiche wurde am Strand der Wohlenberger Wiek gefunden.
14.10.1987: Der 16-jährige Guido Schwark ertrank bei dem Versuch, von Barendorf durch die Lübecker Bucht zu schwimmen. Seine Leiche wurde in der Nähe von Dahme geborgen.
8./10.5.1989: Der 19-jährige Jörg Martelok ertrank bei dem Versuch, von Boltenhagen durch die Lübecker Bucht zu schwimmen. Am 22. Mai 1989 um 23.30 Uhr fanden DDR-Grenzer seine Leiche in Steinbeck.
Text: Christine Vogt-Müller
Projektidee: Angela Radtke