Stele – Selmsdorf Kaserne

Selmsdorf / Kaserne Selmsdorf (an der B 104)

Immer mehr Bürger der jungen DDR flohen in die BED – vor drohenden Enteignungen, Zwangskollektivierung, Umsiedlungen und Inhaftierungen. Zum Machterhalt der herrschenden SED wurde in der DDR seit 1952 die Grenze zur Bundesrepublik abgeriegelt. Das Grenzregime war martialisch und vor allem gegen die eigene Bevölkerung gerichtet.

Die neu rekrutierten Grenzpolizisten der Nachkriegszeit übernachteten noch bei Bauern oder zu Hause. Später wurden sie in Baracken kaserniert. Auf dem gegenüberliegenden Gelände entstanden 1960/61 eine neue Kaserne für die 2. und 3. Grenzkompanie Selmsdorf, sowie Garagen, Hundezwinger und Munitionsbunker (ca. 100 Mann je Kompanie). Mitte der 1970-er Jahre wurde die Kaserne durch einen Plattenbau und weitere Nebengebäude vergrößert. In den 1980-er Jahren zogen hier auch der Bataillonsstab (ca. 30 Offiziere) und die Funkaufklärungszentrale ein. Heute befindet sich dort ein Seniorenwohnheim. Die Mitarbeiter der Staatssicherheit (Stasi) der Pass- und Kontrolleinheit der Grenzübergangsstelle Selmsdorf waren in einer Baracke etwa an dieser Stelle untergebracht. Sie kontrollierten die Reisenden verdeckt, in Uniform der Grenzer. Für Offiziere und ihre Familien sowie für Zivilangestellte wurde 1975 ein Neubau errichtet.

Das ‚Grenzregiment 6 – Schönberg‘ war verantwortlich für 118 Kilometer der innerdeutschen Grenze im Norden. Die ‚2. Grenzkompanie Selmsdorf‘ überwachte die Halbinsel Teschow (DDR) vom Dassower See (BRD) bis zur Trave (BRD). Die ‚3. Grenzkompanie Selmsdorf‘ war zuständig für die Bewachung des Außengeländes der Grenzübergangsstelle bis zur Trave. Der Grenzzaun I mit dem 10 m breiten, geharkten Kontrollstreifen riegelte die gesamte Halbinsel Teschow ab, ergänzt von einer 3,6 km langen ‚Lichtstraße‘, einem 2,4 km langen PKW – Sperrgraben und Wachtürmen (‚Todesstreifen‘).

1 km Landesgrenze zu Lübeck hin war vermint. Unter dem Minengürtel betrieb die Staatssicherheit (Stasi) den „Tunnel“. Er diente der geheimen Schleusung von Agenten. Der Grenzübergang selbst wurde von der Pass- und Kontrolleinheit Selmsdorf der Stasi überwacht.

Der ‚Sicherheitsbereich Selmsdorf‘ gehörte zu den am stärksten bewachten der DDR. Trotz der technischen Aufrüstung der Grenzanlagen seit 1969 gelangen einige Fluchten nach Lübeck – von Grenzern und Einheimischen. Immer wieder gab es auch Todesopfer. Mancher junger Grenzsoldat ertrug den Dienst nicht und beging Selbstmord.

(Text: Christine-Vogt-Müller)

Literaturhinweis:
Karen-Meyer Rebentisch: „Grenzerfahrungen. Dokumentation“, 2009 Hrsg. Hansestadt Lübeck
Peter-Joachim Lapp: 'Gefechtsdienst im Frieden', Bonn 1999
Klaus Schröder/Joachim Staadt: „Die Todesopfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze 1949 – 1989“, Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt a.M. 2017

GRENZFÄLLE

Udo Neumann (23 Jahre) beendet am 19.10.1962 sein Leben. Er erschoss sich mit seiner Dienstpistole im Fernsehraum des Grenzkontrollpostens Selmsdorf. Udo Neumann war im Zivilberuf Maurer, bevor er in den Dienst der Zollkontrolleure der Grenzübergangsstelle Selmsdorf eintrat.

Torsten Feige (19 Jahre) aus Henningsdorf bei Brandenburg war Instandhaltungsmechaniker Er kam nach seiner Grundausbildung als Kraftfahrer am 23.6.1981 zum Stab der Grenzbrigade Selmsdorf. Nach 25 Tagen bei der Grenztruppe erschoss er sich in der Kaserne während des Wachdienstes.

Walter Krall, geb. am 6.2.1953, leistete seinen Wehrdienst in der 3. Kompanie Selmsdorf, im Grenzabschnitt II/7. Am 21.8.1973 schwamm er durch die Trave zum Lübecker Ufer.

Dietmar Schreiber, geb. am 29.11.1951, lebte in Selmsdorf und war stellvertretender Kompaniechef der 2. Grenzkompanie Selmsdorf. Am 9.10.1978 gelang ihm die Flucht über die Grenzanlagen im Bereich Selmsdorf