Die historische Zollabfertigung an der Grenze zwischen Selmsdorf in Mecklenburg und Lübeck-Schlutup befand sich seit alters her an dieser Stelle. Nach Ende des 2. Weltkrieges wurde ein internationaler Grenzübergang eingerichtet. Flüchtlinge, Kriegsheimkehrer, Menschen auf der Suche nach Angehörigen oder Lebensmitteln strömten in beide Richtungen über die Demarkationslinie zwischen britischer und sowjetischer Besatzungszone. Seit dem 30. Juni 1946 brauchte man dazu den Interzonen-Reisepass. Selmsdorf/Schlutup war der nördlichste Straßenübergang, der rege von Lübeckern und Mecklenburgern genutzt wurde. Am 15. Mai 1947 schlossen die Sowjets den Grenzübergang wieder. Der nächstgelegene Grenzübergang Herrenburg/Lübeck-Eichholz wurde im Mai 1952 geschlossen. Der Umweg über Schwanheide/Büchen verlängerte eine Bahnreise von Lübeck nach z.B. Grevesmühlen von zwei auf ca. zehn Stunden.
Die SED-Führung öffnete unter großem Jubel der Lübecker am 1. März 1960 den Grenzübergang Selmsdorf/Schlutup wieder, wenige Wochen später auch den Bahnübergang Herrenburg/Lübeck-Eichholz. Etwa 10.000 Besucher reisten fortan jeden Monat über die neuen Übergänge in die DDR. Der Grundlagenvertrag von 1972 und die Erweiterung des Transitabkommens brachte für beide Seiten Reiseerleichterungen: Der Transitverkehr sollte zukünftig ohne Behinderungen sein. Die neue Transitstrecke verlief ab dem Grenzübergang entlang der damaligen F104 und ab Selmsdorf F105 (heute B104/B105). Sie führte über Warnemünde zur Fähre nach Gedser (Dänemark) und über Sassnitz zur Fähre nach Trelleborg (Schweden). Die Reise nach Westberlin war verboten. Der „Kleine Grenzverkehr“ berechtigte Bewohner grenznaher Orte im Westen zu 30 Tagesreisen im Jahr. Einen „grenznahen Verkehr“ gab es auch für DDR-Bürger: In dringenden Familienangelegenheiten konnten sie eine Reiseerlaubnis zu Westverwandten erhalten.
Den Straßenübergang Selmsdorf/Schlutup durften zunächst nur Reisende in privaten PKW passieren. Besucher ohne PKW mussten mit dem Zug über Herrenburg/Lübeck-Eichholz reisen. Seit 1973 gab es einen Grenzbus von Schlutup zur Grenze, wo die Passkontrolle erfolgte. Auf der Ostseite fuhr ein Bus weiter bis Schönberg.
Auf der DDR-Seite kontrollierten Stasimitarbeiter in Uniform der Grenztruppen die Reisenden. Alle Pass- und Kontrolleinheiten unterstanden dem Ministerium für Staatssicherheit, so auch die PKE Selmsdorf. Der DDR-Zoll prüfte Gepäck und Ladung auf verbotene Mitbringsel wie Bücher, Zeitschriften oder Tonträger. Bei Verdacht wurde das Auto durchsucht und es folgten unangenehme Verhöre. Bei der Ausreise aus der DDR suchten die Stasimitarbeiter mit einem Spiegel die Unterseite des Autos ab, prüften den Tank auf Umbauten, die Rückbank wurde abgetastet oder ausgebaut. Oberstes Ziel war die Verhinderung von Fluchten.
Auf der Westseite gab es keine Verbote, die Reisefreiheit war gewährleistet. Pässe wurden zwar von Beamten des BGS oder Zoll kontrolliert, doch Zollkontrollen gab es kaum.
Aus dem Westen rollten seit 1980 Mülltransporte über den Grenzübergang zur neu erbauten Deponie in Schönberg, seit 1982 auch Laster mit Giftmüll. Bis zum Mauerfall am 9. November 1989 wurden mehrere Mio. Tonnen (Gift-) Müll auf die Deponie verbracht.
Am 9. November 1989, gegen 22 Uhr, wurde der Grenzübergang Selmsdorf/Schlutup geöffnet – als erster. Das Ende der DDR war eingeläutet.
(Text: Christine-Vogt-Müller)
Literaturhinweis: Karen Meyer Rebentisch: „Grenzerfahrungen. Dokumentation“. Hrsg. Hansestadt Lübeck
Peter Joachim Lapp: „Gefechtsdienst im Frieden“. Bonn 1999