Stele – Siechenhaus

Siechenhaus‘

Schwanbeck/Zarnewenz

An dieser alten Landstraße von Lübeck nach Wismar liegt zwischen Zarnewenz und Schwanbeck landeinwärts im Gehölz ein alter Friedhof. Einst stand hier auch eine Kapelle, eine Stiftung des Ratzeburger Bischofs Johannis von Parkentin, der sie weihte und dem St. Georg widmete. Seeseitig lag wohl schon im 13.Jh ein Siechenhaus. Es war ursprünglich für Leprakranke aus dem Stiftsland des Bistums Ratzeburg bestimmt .Das Ensemble gehörte zu Schwanbeck im Kirchenspiel Selmsdorf, damals im Besitz des Bistums Ratzeburg. 1441 bedachte Ratsherr Wesebom aus Wismar die nun in diesem Haus lebenden „Siechen und Armen“ in seinem Testament. 1504 gründeten drei Lübecker Bürger eine Stiftung für den Erhalt der Siechenkapelle. Weitere Spender trugen zum Erhalt der Kapelle und des Hauses bei.

Das Ensemble stand unter kirchlicher Verwaltung. Superintendent Nicolaus Petraeus ordnete 1609 die Verhältnisse und legte ein Rechnungsbuch an. Es wurde nun bestimmt: „Es werden keine anderen in das Haus genommen, als die im Stiftsland geboren sein. … so werden itzo keine Siechen mehr, sondern Arme, Alte und Gebrechliche hereingenommen.“ Bei der Aufnahme wurden später vorrangig Selmsdorfer berücksichtigt. Meistens wohnten hier sechs bis acht Leute, der Siechenmeister und zeitweise auch ein Korbträger. Dieser hatte bis 1829 das Recht und die Pflicht, in den umliegenden Dörfern Essen und Spenden für die Bewohner des Hauses zu sammeln. Auch vorbeiziehende gaben Spenden.

Der Siechenmeister hatte für Ordnung und Frieden im Haus zu sorgen und hielt täglich Betstunde für die Bewohner. Er war auch Küster und Lehrer. Schon seit 1690 kamen die Kinder aus Schwanbeck und Zarnewenz hier zum Schulunterricht.

Die Sturmfluten 1625, 1872, 1874 und 1894 richteten verheerende Schäden an.

1701 kam Schwanbeck mit dem Schauspielerensemble in den Besitz des Landfürsten Mecklenburg-Strelitz, gehörte aber in kirchlicher Sicht bis ins 20.Jh. zur Pfarre Selmsdorf. Ab 1829 wurden keine weiteren Pfleglinge mehr aufgenommen und 1835 ein neues massives Schulgebäude errichtet. Der letzte Pflegling starb 1873.

Der letzte Lehrer Johann Heinrich Christian Boye unterrichtete von 1885 bis 1909 und nutzte das marode Siechenhaus als Stallgebäude. Er starb 1914. 1917 wurde die Schule aufgelöst und das Gebäude verpachtet. Am 16.März 1937 erfolgte die Umpfarrung des Dorfes Schwanbeck mit dem Siechenhausensemble nach Dassow.

Nach Ende des 2.Weltkrieges 1945 verlief die innerdeutsche Grenze entlang des Dassower Sees, der zu Lübeck gehörte. Siechenhaus und Schule lagen im 500-m-Schutzstreifen. Ab 1950 war Schwanbeck nach Dassow eingemeindet. Auf Anordnung des Grenzregimes wurde 1952 das marode Siechenhaus wegen der grenznahen Lage abgetragen. Der letzte Bewohner der Schule verzog 1971. Im April1972 erfolgte der Abriss der Schule. Gegen den vehementen Einspruch der Kirchenleitung und der staatlichen Denkmalpflege wurde die Siechenkapelle am 10. Januar 1973 gesprengt. Die geretteten Inventarstücke befinden sich in der St. Nikolai-Kirche in Dassow. Auf dem Friedhof sind heute noch drei Grabstellen.

Wegen „Unterschlupfmöglichkeiten für Republikflüchtige“ riss das DDR-Grenzregime 1973 fast alle im 500-m-Schutzstreifen liegende Gebäude und kulturhistorische Baudenkmale ab. So auch 1978 die Waldkapelle in Pötenitz. Deren Fundamente und einige Grabsteine legte 2016 der Bürgerverein Pötenitz an der Ostsee e.V. frei. Seitdem wird hier gelegentlich Gottesdienst gefeiert.

*Krüger, Georg – Präpositus zu Stargard in Mecklenburg: Das Siechenhaus vor Dassow. Aus Mitteilungen des Heimatbundes für das Fürstentum Ratzeburg von 1901 e.V. 1.Jahrgang 1919, Nr. 4/5; Räsenhöft, Klaus-Peter: Siechenhaus und Kapelle St. Georg bei Schwanbeck; Chronik des Kirchenspiels zu Dassow 1898-2012, Kommentiert von Stefan Pohlke, 5.11.2016; Bentlage, Christine, Dassower Hefte Nr. 9, 18, 19 vom Heimat- und Tourismusverein Dassow e.V.; Piehl, Stutz, Parschau: Einblicke zwischen Schaalsee und Salzhaff Nr. 4, Landkreis Nordwestmecklenburg; Woest, Christiane: Chronik Teil 1, 1292-1989, Selmsdorf, Geschichte und Geschichten.