Stele – Wahrsow

Wahrsow

1194 wird das Dorf Wahrsow erstmals urkundlich erwähnt. Anfang des 19. Jahrhunderts sind das Bauerndorf und der Gutshof räumlich getrennt. Die Fläche dazwischen wird erst nach Beendigung des 2. Weltkrieges 1945 baulich erschlossen. 

Zunächst entsteht auf der Fläche eine ‚Maschinen – Ausleih –  Station (MAS)‘. Sie versorgte die nach der Bodenreform in der ‚Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)‘ gewachsene Zahl der Einzelbauern mit technischem Gerät. 1948 ist die ‚MAS Wahrsow‘ nachgewiesen. Weitere sieben solcher Stationen arbeiten im damaligen Landkreis Schönberg. Es  entstehen Verwaltungsgebäude, Werkstätten und Garagen der `MAS` und Wohnhäuser in der neuen ‚Siedlung Wahrsow‘. Ab etwa 1952 treibt die SED das sowjetische Wirtschaftsmodell voran. Aus den ‚MAS‘ werden ‚Maschinen-Traktor-Stationen (MTS)‘. Technikeinsatz und Personal sind jetzt Teil des Klassenkampfes auf dem Dorf. Die Einzelbauern sollen  für die Politik der SED gewonnen werden.

Die letzten Einzelbauern werden 1960 zum Eintritt  in die Landwirtschaftlichen Produktionsgesellschaften  (LPG) gezwungen. Die kleineren LPG-en in Palingen und Lüdersdorf schließen sich zusammen zur ‚LPD Völkerfreundschaft Lüdersdorf‘. Damit endet dann auch die Geschichte der ‚MTS Hof Wahrsow‘. Die Instandhaltung der Landtechnik übernimmt jetzt der ‚Kreisbetrieb für Landtechnik‘ in Grevesmühlen.

Parallel dazu beginnt neben dem MTS-Gelände der Bau einer Schule. Die Polytechnische Oberschule (POS) Herrnburg-Hof Wahrsow öffnet am 13. März 1961 ihre Tore und nimmt Schüler der Klassen 5 bis 10 auf. Ihren Namen erhält sie nach einem 1950 erschossenen DDR -Grenzpolizisten  und heißt fortan ‚POS Siegfried Apportin‘. Heute ist dieser regionale Schulstandort Teil der Schule in Lüdersdorf.

Bereits seit 1952 ist Wahrsow Teil der DDR Grenzsperrzone. Für die Bewohner des Ortes gilt besondere Grenzordnung. ‚Feinde der Republik‘, also nicht ‚linientreue‘ Bewohner,  werden zwangsumgesiedelt.

 In die Gebäude der ehemaligen MTS ziehen Anfang 1960  die DDR-Grenztruppen ein.

1971 wird das ‚Sperrgebiet verkleinert. Es beginnt jetzt erst hinter der Gemeinde Lüdersdorf.  Die Kaserne in Wahrsow gehört zu den 17 Standorten des Grenzregiments 6 mit Sitz in Schönberg. Es bewacht den Nordabschnitt der innerdeutschen Grenze zwischen dem Priwall (Lübeck  – Travemünde) und ‚Leisterförde‘, südlich der heutigen Autobahn A 24. Anfangs wurde die Kaserne auch für ‚Sonderaufgaben‘ genutzt, so z.B. 1967 zur Unterbringung der Einheit zur Errichtung der DDR-Grenzsäulen. Später zieht hier der Kfz-Instandsetzungszug des Regiments in. Neben den Wachsoldatengehören zur kleinen Einheit auch Fachleute und Zivilbeschäftigte. Sie betreuen den Fuhrpark des Regiments.

Zu den Aufgaben der Grenztruppen der DDR gehören überwiegend engmaschige Kontrollen der Bevölkerung zur Verhinderung von Republikfluchten. Im regelmäßigen Austausch mit der Vertretern der Volkspolizei (Vopo), der Staatssicherheit (Stasi), der Verwaltung, der Partei (SED) , den Kommissionen für Ordnung und Sicherheit,  sogenannten Abschnittsbevollmächtigten und  freiwilligen Helfern werden  Fehlverhalten beobachtet, gemeldet und verfolgt.

Trotz der dauerhaften Überwachung pflegen Grenztruppenangehörige und die Zivilbevölkerung  eine gute Nachbarschaft und es besteht ein alltäglicher Umgang miteinander. So dürfen die Schüler der POS zeitweise  den großen Feuerlöschteich des Kfz-Instandsetzungszuges zum Schwimmen lernen nutzen.

Mit der Auflösung der DDR-Grenztruppen 1990 übernimmt die Bundesverwaltung den Kasernenstandort. 1992 ziehen dort kurzzeitig Fachleute ein, die bei der Suche nach Landminen im Nordabschnitt der ehemaligen Grenze helfen. Später wird das Gebäude als Flüchtlingsunterkunft genutzt, steht dann seit 1996 leer und 2018 begannen die Abrissarbeiten. Im Jahre 2021 entstanden dann die ersten Eigenheime im Wohngebiet ‚Bei der Schule‘.

Literaturhinweis: Eberhard Specht, Familiengeschichte des Kirchspiels Herrnburg, Schönberg 2010, Karen Meyer-Rebentisch (Hg.). Grenzerfahrungen.  Vom Leben mit der innerdeutschen Grenze, Schwerin 2009. Weißt du noch. Geschichten und Geschichtchen aus den Gemeinden des Amtes Schönberger Land, Natur- und Heimatverein NWM, ABM Ortschronisten 1999.

Text: Dr. Andreas Wagner