Stele – Zarnewenz

Zarnewenz

Das alte Bauerndorf Zarnewenz in der Gemeinde Selmsdorf ist links und rechts an der alten Hansestraße von Lübeck nach Wismar gelegen, zwischen Selmsdorf und Dassow am Dassower See, entlang der heutigen B105. Von der Straße aus sieht man von weitem die Häuser und Grundstücke des Dorfes am See. Besonders der Ortsteil am Dassower See ist anmutig schön. Das ehemalige Pächterhaus des Hofes Zarnewenz, 1822 erbaut vom Landbaumeister Friedrich Lohmeyer, gehört zu den schönsten Wohnhäusern klassizistischer Zeit im ehemaligen Fürstentum Ratzeburg. Der Ort war von Anbeginn an landwirtschaftlich geprägt. Es gab einen Krug und ein Strandhotel.

Der Ortsname Zarnewenz ist slawischer Herkunft. Urkundlich ersterwähnt ist das alte Bauerndorf im Ratzeburger Hufenregister im Jahre 1292. Die Besitzer de Höfe sind bis ins 16. Jahrhundert zurück belegt. Im 17. und 18. Jahrhundert hatte Zarnewenz sehr unter den Kriegen und den damit verbundenen Plünderungen und Durchzügen verschiedenster Truppen zu leiden. Vierzig Jahre andauernde Viehseuchen plagten die Bewohner im 18. Jahrhundert. Der Hof Zarnewenz entstand in dieser Zeit und wurde eine Domäne. Am 13. November 1872 suchte die große Sturmflut auch Zarnewenz heim, sie überflutete und zerstörte Straßen und Häuser.

Nicht nur mit den Weltkriegen im 20. Jahrhundert, sondern in besonderer Weise in der DDR-Zeit, gab es starke Veränderungen und politische Einwirkungen, die bis heute nachwirken. Zarnewenz war seit 1952 ein Dorf im Sperrgebiet. Menschen in unmittelbarer Nähe zum Dassower See und damit zur Grenze zur Bundesrepublik mussten das Dorf verlassen. Es kam zur Ausweisung aus reiner Willkür des Staates. Der Dassower See gab Anlass für einige Fluchtversuche von Menschen, die die DDR verlassen wollten. Alte Radwanderwege sind für eine großflächige Landwirtschaft und für eine bessere Kontrolle im Sperrgebiet verschwunden.

Heute sind in Zarnewenz nur die Höfe I (Sterly) und III (Oldenburg) erhalten. 1952 wurden die Bewohner der Hofstelle I im Rahmen der „Aktion Ungeziefer“ nach Zarrendorf bei Stralsund zwangsausgesiedelt. Der Hof ging in die LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) über. Die Familie kehrte 1957 zu Verwandten nach Sabow bei Schönberg zurück. Im Oktober 1961 wurde sie von dort im Rahmen der „Aktion Festigung/Kornblume“ erneut ausgesiedelt auf die Insel Rügen, auch wenn sie nicht mehr im Sperrgebiet wohnte.

Die Hofstelle II (Joost) gibt es nicht mehr, weil die Gebäude im Zuge der Grenzsicherung am Dassower See 1974 abgerissen wurden. Die Gebäude der Hofstelle IV (Hartmann) brannten ab. Die Bauernstelle V wurde durch das Hochwasser von 1872 vernichtet und dann auf der anderen Straßenseite am alten Landweg nach Schönberg neu aufgebaut. Dort lebte und wirtschaftete duie Bauernfamilie Sterley/Quandt. Detlef Quandt, der Ehemann von Johanna und Bürgermeister von Zarnewenz seit Juli 1945, war im Dezember 1945 von den sowjetischen Soldaten im eigenen Haus erschossen worden. Seine Frau bewirtschaftete nun ihren Eltern alleine den Hof. In der Folge wurde Johanna Quandt im Oktober 1951 für zwei Monate wegen angeblicher Nichterfüllung des Plansolls inhaftiert, dann freigesprochen. Die Besitzerin Johanna Quandt wurde mit ihren Eltern und ihren Kindern mit der „Aktion Ungeziefer“ 1952 ausgesiedelt nach Abtshagen in Vorpommern. Die Hofstelle brannte im Frühjahr 1956 ab. Ein kleineres Wohnhaus wurde 1958 errichtet. Johanna floh 1961 mit ihren Kindern in die Bundesrepublik. 1991 erfolgte die Rückübertragung an sie.

(Text: Christine Woest)

*Literaturhinweis: Christiane Woest: „Selmsdorf - Geschichte und Geschichten – Ein Heimatbuch, Chronik Teil I 1292-1989.“ Hrsg. Gemeinde Selmsdorf.

Am 25.8.1988 um 5.44 Uhr löste der Grenzsignalzaun im Bereich Zarnewenz Alarm aus. Um 6.07 Uhr fanden Grenzposten Fußspuren auf dem Kontrollstreifen sowie am Grenzzaun zwei Metallanker mit Stricken und sahen dann zwei Personen in Richtung Insel Buchwerder schwimmen. Laut Protokoll der DDR-Grenzpolizei wurden die Flüchtenden (ein Melker und ein Heizer, beide 21 Jahre jung) um 12:34 Uhr in der Trave von einem Sportboot aufgenommen.

*BStU Rostock: Aus den Fluchtprotokollen der Akte MIS HA I Nr. 57